Der Priester und die Hl. Eucharistie

 

Predigt bei der Vigilfeier vor der Primiz des Neupriesters Franz Speckbacher am Herz-Jesu-Freitag, 7. Juli 1989 in Perach

 

Lieber Primiziant, liebe Eltern des Primizianten, liebe Angehörige der Pfarre Perach, liebe Glaubensbrüder und Glaubensschwestern!

 

Wenn ich an diesem Abend zur Einstimmung für die Primiz am kommenden Sonntag Ihnen allen Gedanken über die Größe des katholischen Priestertums darlegen darf, so möchte ich es tun anhand eines Abschnittes aus einem ergreifenden Testament, das einer kurz vor seinem Tod niedergeschrieben hat, der nicht Priester war und der sogar aus Demut die ihm angebotene Priesterwürde ausgeschlagen hat. Es ist ein Stück aus dem Testament des hl. Franz von Assisi. Dort stehen folgende Sätze:

„Der Herr gab mir zu den Priestern, die nach der norm der heiligen römischen Kirche leben, so großes vertrauen ihrer heiligen weihe wegen, dass ich – auch wenn sie mich verfolgten – bei ihnen dennoch Zuflucht suchen würde. Und wenn ich so viel Weisheit hätte, wie Salomon sie besaß, und käme ich zu den armseligsten Leutpriestern auf ihren Pfarreien – ich würde doch nichts gegen ihren Willen unternehmen. Ich will sie achten, lieben und ehren als meine Herren. Ich will an ihnen nicht die Sünde sehen, weil ich in ihnen den Sohn Gottes gewahre und sie darum meine Herren sind.

So halte ich es aber deshalb, weil ich in dieser Welt von ihm, dem erhabenen Gottessohn, körperlich nichts sehe als nur seinen hochheiligen Leib und sein kostbares Blut, welche nur die Priester allein konsekrieren und nach dem Empfang den anderen reichen. Und ich will, dass diese hochheiligen Geheimnisse der Eucharistie über alles in Ehren gehalten, verehrt und an kostbar ausgestatteten Orten verwahrt werden...“

Der hl. Franz fügte dann diesen und noch weiteren testamentarischen Weisungen für seine Jünger den Segenswunsch an:  „Jeder, der diese Worte  befolgt, soll im Himmel erfüllt werden mit dem Segen des höchsten Vaters, auf Erden erfüllt werden mit dem Segen seines geliebten Sohnes in Gemeinschaft mit dem Hl. Geist, dem Tröster ... Und ich, Bruder Franziskus, der Geringste, Euer Diener, bekräftige Euch, so viel ich nur vermag, mit Herz und Hand diesen hochheiligen Segen!“

Wenn wir uns nun anhand dieser testamentarischen Weisung des hl. Franz von Assisi fragen, warum dieser große Heilige, der mit seiner Reform- und Erneuerungsbewegung damals im 13. Jahrhundert die Kirche aus dem Niedergang heraus- und zu neuer Blüte emporgeführt hat, die Priester so hoch geschätzt und geehrt wissen wollte, dass er allen dafür die Fülle des himmlischen und irdischen Segens versprach, so müssen wir folgendes feststellen:

Der hl. Franz von Assisi schätzte die Priester so sehr wegen ihrer großen, heiligen, eucharistischen Wandlungsgewalt. Weil er die Hl. Eucharistie, das Altarssakrament, ganz hoch einschätzte, darum tat er dies auch den geweihten Priestern gegenüber, da nur durch sie, unter ihren Händen, die Hl. Eucharistie zustande kommt.

Hier ist eine Anekdote bezeichnend, die aus dem Leben des hl. Franz von Assisi erzählt wird: Einmal bestieg er auf einem großen, von einer riesigen Volksmenge erfüllten Hauptplatz einer italienischen Stadt die provisorisch für ihn errichtete Kanzel, um als Diakon die Frohbotschaft Christi zu verkünden. Da sah er in einem Winkel des Platzes einen in schlechtestem Ruf stehenden Priester, dem das Volk wegen seines angeblich recht lasterhaften Lebenswandels aus dem Wege ging. Diesen Priester sehen und wieder von der Kanzel herabsteigen war für Franziskus eins: Er bahnte sich durch die Volksmenge einen Weg, ging durch die überraschten, staunenden Reihen auf diesen Priester zu und küsste ihm ehrfürchtig die Hände. Auf dem dann folgenden Rückweg zur Kanzel hörte Franziskus Äußerungen des Missfallens über sein Verhalten diesem Priester gegenüber, den man jetzt mit allen nur möglichen Anschuldigungen für Franziskus noch schlechter machen wollte. Der Heilige aber sagte zu Beginn seiner nun anhebenden Predigt: „ob das Leben dieses Priesters sündig oder lasterhaft ist oder nicht, das weiß ich nicht. Aber das weiß ich, dass seine gesalbten Hände weiß Gott wie oft schon den hochheiligen Leib des Herrn gehalten und vielen Menschen die heiligen Sakramente gespendet und durch sie das ewige Heil vermittelt haben. Darum habe ich seine Hände in aller Ehrfurcht geküsst.“

Hier spürt man doch unwillkürlich, was es in den Augen des hl. Franziskus unsagbar Großes sein muss um die eucharistische Wandlungsgewalt des Priesters und um das ihm anvertraute Altarssakrament.

Unser Herr Jesus Christus hat am Kreuz auf Golgotha dem himmlischen Vater zum Lob und Dank, zur Sühne und zur Bitte ein unendlich wertvolles Opfer dargebracht, das zur Erlösung und Versöhnung der gesamten Menschheit mit Gott vollauf genügte. Er wollte aber, dass sein Kreuzesopfer überall gegenwärtiggesetzt werde und dass die kostbaren Früchte des Kreuzesbaumes den Menschen aller Zeiten zugewendet werden sollten.

Darum hat Christus „in der Nacht, da er verraten wurde“, beim Letzten Abendmahl das eucharistische Opfer eingesetzt, durch das das Opfer von Golgotha mitsamt seinen Segens- und Gnadenfrüchten hineingetragen werden sollte in jedes Jahrhundert, in jedes Jahrzehnt, in jedes Jahr, ja sogar in jeden Tag und im Lauf der täglichen Erdumdrehung in jede Stunde eines jeden Tages Immer wieder und an allen Orten wollte der Ewige Hohepriester sein Kreuz, seinen Opferaltar unter den Menschen aufrichten, um sich mit seinem Fleisch und Blut und mit der ganzen Sühne- und Liebesbereitschaft seines heiligsten Herzens für uns Menschen hinzuopfern.

Um das verwirklichen zu können, gab er seinen Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen und Priestern, in der  Gnadenstunde des Letzen Abendmahls Auftrag und Vollmacht: „Tut das, was ich getan habe, zu meinem Gedächtnis!“

In diesen geheimnisvollen Kreislauf des eucharistischen Opfers vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang, wie der Prophet Maleachi es 500 Jahre vor Christus vorausgeahnt und vorausgesagt hat, ist der katholische Priester, jeder Priester eingespannt als Helfer Christi, als Werkzeug Christi, um ihm Mund und Hand zu leihen für die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers.

Vornehmste Aufgabe des Priesters, jedes Priesters ist dies vom Tag der Priesterweihe und Primiz angefangen bis zu seinem Sterbetag! Wenn das doch auch heute noch so geschätzt würde, wie es der hl. Franz von Assisi getan hat! Was das nämlich bedeutet im Weltgeschehen und Heilsgeschehen, wird uns freilich nur dann klar, wenn wir den unendlichen Wert des Kreuzesopfers und des Messopfers als Opfer der Anbetung, des Dankes bedenken. In einer Zeit, in der so viele Menschen Gott die ihm schuldige Anbetung verweigern und scheinbar nur noch den Tanz um das goldene Kalb des Wohlstandes und des immer höheren Lebensstandards kennen und nur noch vor den Götzen Genusssucht und Sex auf den Knien liegen, da ist es so tröstlich, zu wissen, dass im Messopfer durch Christus, mit ihm und in ihm dem himmlischen  Vater alle Ehre und Verherrlichung zuteil wird! In einer Zeit, die übervoll ist von Sünden, Lastern und Verbrechen, ist es so beruhigend, zu wissen, dass im Messopfer dem beleidigten Gott immer wieder unendlich wertvolle Sühne dargeboten wird! Und wie viele Sünden geschehen doch nur an einem einzigen Tag! Von wie vielen Verbrechen weiß die Presse täglich zu berichten, wie viel Sündhaftes aber geschieht tagtäglich überdies – der Öffentlichkeit unbekannt, bekannt einzig und allein dem allwissenden Gott, der dadurch um die ihm geschuldete Ehre beraubt wird! Wo ist da die Sühne für all diese Sünden? Wo ist da das Mittel, das verhindert, dass die Strafgerichte Gottes nicht in furchtbarer Weise zur Entladung kommen? Wie ist es doch tröstlich, das es noch Priester gibt, immer wieder neugeweihte Priester gibt, die – mit der eucharistischen Wandlungsgewalt ausgestattet kraft der Handauflegung durch den weihenden Apostelnachfolger, den Bischof – die hl. Messe als das große Sühnopfer feiern können, in welchem das Lamm Gottes, das  die Sünden der Welt hinwegnimmt, immer wieder zum Blitzableiter für die Zornesblitze Gottes wird! Wahrhaftig, was ist es doch – vom Glauben her gesehen – unsagbar Großes um Opfer und Opfermahl der hl. Messe, für die heute leider auch viele noch gläubige Katholiken kein rechtes Verständnis und keine rechte Hochschätzung mehr aufbringen trotz der Liturgiereform und der nun möglichen Muttersprache in der Feier der hl. Messe!

Der hl. Franz von Assisi hat gespürt: Das Messopfer ist etwas unsagbar Großes. Vom Messopfer her aber empfängt der Priester zu allererst seine Würde und seine Bedeutung. Darum feiert man den Neupriester mit Recht nicht bei der ersten Predigt oder bei seiner ersten Religionsstunde oder bei seiner ersten Sakramentenspendung, etwa bei der ersten Taufe, die er spendet, sondern bei seiner ersten hl. Messe! Und würde ein Priester in seinem ganzen Priesterleben nichts anderes leisten können, als täglich andächtig und würdig die hl. Messe zu feiern und die Gläubigen zum rechten, lebendigen, im Tagewerk fruchtbar zur Auswirkung gebrachten Mitfeiern der hl. Messe zu bringen, er hätte schon eine ganz große, heilige Aufgabe und Sendung gemäß dem Auftrag Christi erfüllt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“

Da waren Salzburger Pilger mit ihrem Bischof vor einiger Zeit auf Pilgerfahrt in Irland. Sie erlebten dabei in der Heimat des hl. Virgil eine eigenartige Priesterweihe, eigenartig deshalb, weil während dieser Priesterweihe ein neben durch die bischöfliche Handauflegung geweihter, spätberufener Neupriester plötzlich starb. Es war das eine eigenartige Zulassung Gottes. Und doch muss man sagen: Auch für diese einzige, in Konzelebration mit dem weihenden Bischof gefeierte hl. Messe hat sich für diesen Priester die empfangene Priesterweihe gelohnt! Die hl. Messe ist die Gnadensonne im Priesterleben, sie ist der lebensnotwendige Herzschlag im Leben des geheimnisvollen Leibes Christi, der die Kirche ist; die hl. Messe ist die mystische Bluttransfusion, in der das kostbare Erlöserblut Christi aus dem Herzen Jesu immer wieder bis in die letzten Zellen des geheimnisvollen Leibes Christi reinigend und heilend, stärkend und entsühnend hineingeleitet wird.

Nochmals sei es abschließend gesagt: Der Priester steht und fällt in seinem Wert, in seiner Würde mit der hl. Messe, mit der Hl. Eucharistie! Das wusste der hl. Franz von Assisi. Beide, das katholische Priestertum und die Hl. Eucharistie können nicht voneinander getrennt werden. Darum: Wer die Hl. Eucharistie – vom Glauben her –richtig einschätzt, der schätzt und ehrt auch den Priester, ohne den die Hl. Eucharistie nicht zustande kommt. Der Priester aber hat die Feier der hl. Eucharistie und ihren ehrfürchtigen, würdigen Vollzug als seine ehrenvollste, höchste und heiligste Aufgabe zu betrachten und soll darum auch die ihm anvertrauten Gläubigen dazu erziehen. Es soll jedem Priester und allein Gläubigen gewissermaßen jeden Tag in den Ohren klingen, was der hl. Thomas von Aquin in den Schlussstrophen eines seiner Sakramenthymnen gedichtet hat: „Tantum ergo sacramentum veneremur cernui...“ „Lasst uns tief gebeugt verehren ein so großes Sakrament...“

Aus seinem starken, tiefen Glauben an die wahre, wirkliche Gegenwart Christi in der Hl. Eucharistie dichtete der kindlich fromme und dabei so gelehrte hl. Thomas von Aquin seinen Sakramentshymnus „Pange lingua“: „Preise Zunge das Geheimnis dieses Leibs voll Herrlichkeit, und des unschätzbaren Blutes, das zum Heil der Welt geweiht, Jesus Christus hat vergossen, Herr der Völker aller Zeit. Uns gegeben, uns geboren von der Jungfrau keusch und rein, ist auf Erden er gewandelt, Saat der Wahrheit auszustreuen, und am Ende seines Lebens setzt er dies Geheimnis ein. In der Nacht beim Letzten Mahle saß er in der Jünger Schar. Als nach Vorschrift des Gesetzes nun das Lamm genossen war, gab mit eigner Hand den seinen er sich selbst zur Speise dar. Und das Wort, das Fleisch geworden, schafft durch Wort aus Brot und Wein Fleisch und Blut zur Opferspeise, sieht es auch der Sinn nicht ein. Es genügt dem reinen Herzen, was ihm sagt der Glaub‘ allein.“ Und nun folgt die letzte Strophe: „Tantum ergo sacramentum... Lasst uns tief gebeugt verehren ein so großes Sakrament. Dieser Bund wird ewig währen und der Alte hat ein End. Unser Glaube soll uns lehren, was das Auge nicht erkennt.“ „Genitori  genitoque laus et jubilatio...Gott dem Vater und dem Sohne sei Lobpreis und Herrlichkeit mit dem Geist auf höchstem Throne, eine Macht und Wesenheit! Singt in lautem Jubeltone: Ehre der Dreieinigkeit!“ Ja, und Ehre dem Herrn im Heiligsten Sakrament! Ehre aber auch dem Priester, der an die Größe dieses heiligsten Sakramentes glaubt, ihm mit größter Ehrfurcht und Liebe begegnet und seine Gläubigen ebenfalls dazu anhält und erzieht!

Darum zuletzt meine Bitte an den Neupriester: Schätze allzeit die hl. Messe und das Altarssakrament ganz hoch ein! Verzichte nie leichtfertig und grundlos auf ihre Feier! Bemühe dich immer um die rechte, würdige Feier der hl. Messe in würdigem Zustand, im Gnadenstand! Denn ohne die Hl. Eucharistie ist der katholische Priester nichts, sie allein ist die Quelle, aus der der Priester und mit ihm die ganze Kirche übernatürliches Leben, Kraft und Gnade schöpfen. Amen